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Kinofilme auf die Theaterbühne zu bringen, das
ist immer so eine Sache. Kann gut gehen, muss aber nicht. Im Fall
"Die Ehe der Maria Braun" ist es gut gegangen. Alle Schauplätze
sind von Beginn an auf der Bühne versammelt. Büro, Wohnzimmer,
Gefängnis, Bar - alles überschaubar. Die Hauptdarstellerin
Maria Braun (stark: Evelyn Nagel) wechselt mit wenigen Schritten zwischen
den Plätzen hin und her. Nur der jeweilige Partner ist ein anderer.
Das brachte der Aufführung eine dichte Atmosphäre. Ohne
dabei jedoch in unnötige Hektik oder Betriebsamkeit zu verfallen.
Am Ende einer kurzweiligen und gelungenen Aufführung gab es viel
Applaus für die Schauspieler. Völlig zu Recht.
Fränkische Nachrichten/mar
Ein straffes Regiekonzept, das stimmige Ambiente und die schauspielerischen
Leistungen des Ensembles sorgten für einen gelungenen Abschluss
der Bad Saulgauer Theatersaison. Filme als Theaterstücke zu inszenieren,
birgt immer das Risiko der Verflachung und des Verlustes an Intensität.
Nicht so bei der Inszenierung von Luisa Brandsdörfer. Die Regisseurin
setzte eigenständige Akzente und charakterisierte die handelnden
Personen nachdrücklich in Einzelszenen, überdies hatte sie
ein zügiges Spieltempo vorgegeben - ohne die beliebte Halbzeitpause.
Dieses Konzept wurde möglich durch eine ausgeklügelte Bühnenaufteilung.?Zu
Beginn der Aufführung schallte der Ohrwurm "Ich tanze mit
Dir in den Himmel hinein", aus dem Lautsprecher, unterbrochen
von Granateneinschlägen und Sirenengeheul. Ein Hochzeitspaar,
der Bräutigam Hermann Braun in Soldatenuniform und die junge
Braut Maria mit Spitzenschleierchen auf dem Kopf, stand mit dem Rücken
zum Publikum und tauschte die Ringe im Bombenhagel.
Die folgenden Szenen boten Schlaglichter aus einem Deutschland kurz
nach Kriegsende: Marias und Freundin Bettys verzweifeltes Warten auf
die vermissten Ehemänner, den florierenden Schwarzhandel und
die Suche nach Arbeit. Weil Hermann Braun verschollen und tot geglaubt
war, verdiente Maria ihren Lebensunterhalt in einer Bar und ließ
sich auf ein Techtelmechtel mit dem schwarzen amerikanischen Besatzungssoldaten
Bill ein (sehr sympathisch: Nikolaus Szentmiklosi). Braun (Friedolin
Richter) indessen hatte überlebt und erwischte seine Frau mit
dem Amerikaner beim intimen Tête-à-Tête. Weil sie
ihrer großen Liebe Hermann im Herzen die Treue gehalten hatte
und nichts sehnlicher wünschte, als mit ihm zusammen zu leben,
erschlug Maria den amerikanischen Liebhaber.
Doch auch nach Hermanns Rückkehr gab es für Maria keine
Zukunft an der Seite des geliebten Mannes: Hermann nahm den Mord auf
sich und saß anstelle von Maria im Gefängnis. Der Richterspruch,
der Hermann Braun ins Gefängnis verbannte, war ein dramaturgischer
Schachzug mit Gänsehaut-Effekt: Hämisches Gelächter
schrillte mit Echoeffekt aus allen Ecken der Bühne - ein zynischer
Kommentar zu Marias scheiternder Liebe? Denn tragischerweise hatte
sie, so sehr sie sich auch darum bemühte, nie die Chance zu einem
gemeinsamen Leben mit Hermann. Erst den Unfalltod am Ende des Stücks
erlebten beide ironischerweise als Gemeinsamkeit.?Zuvor jedoch entwickelte
sich Maria an der Seite des Industriellen Karl Oswald (weltmännisch-jovial:
René Laier) im Eiltempo zu einer Karrierefrau mit Hang zum
Vamp, knallhart und egozentrisch, wenn es um Erfolg und Geld ging.
Evelyn Nagel gelang die Wandlung der Maria vom unbekümmerten,
liebenden Mädchen zur eiskalt taktierenden Geschäftsfrau
der Wirtschaftswunderzeit sehr überzeugend.?Wie bei der Badischen
Landesbühne üblich, deckten etliche Schauspieler des Ensembles
gleich mehrere Rollen ab. So war Tobias Gondolf Arzt, Standesbeamter,
Amerikaner und Journalist in Personalunion. Dass auch die Nebenrollen
trotz Mehrbelastung der Akteure sorgfältig ausgestaltet waren,
verdient ein Kompliment.
Schwäbische Zeitung
Atmosphärisch dicht und ohne Pause entwirft das famose Ensemble
um eine glänzende Evelyn Nagel (Maria Braun) intensive Stimmungsbilder
und krasse Milieustudien. Trefflich vollzieht Nagel zum Klang alter
Schlager aus dem Radio beim Verschieben der moralischen Werte auch
die eigene Wandlung von der Romantikerin zur Frau im Business-Kostüm.
Heilbronner Stimme/Monika Köhler
Die kluge Inszenierung von Luisa Brandsdörfer änderte nichts
an Fassbinders Attacke gegen die materialistisch eingestellte Nachkriegsgesellschaft.
Die schauspielerische Leistung Evelyn Nagels in der Rolle der Maria
Braun zerstreute die Befürchtungen, dass sich der Zuschauer nach
Hanna Schygullas Darstellungskunst sehnen werde. Mit herbem Charme
mischte Evelyn Nagel die emotionalen Befindlichkeiten einer Frau,
die sich durch den Krieg um ihr Leben betrogen fühlt. Halb Idealistin,
halb Opportunistin, kühl berechnend und zugleich triebgesteuert,
lässt sie sich mit einem farbigen GI und schließlich mit
einem Textilfabrikanten ein.?Die einzelnen Rollen in der Bruchsaler
Inszenierung wurden von den Darstellern nicht nur typisiert, sondern
auch psychologisiert. Der bildungsbeflissene Ehemann Hermann Braun
(Fridolin Richter), der nach Leben dürstende Unternehmer (René
Laier), der von Helge Gutbrod großartig charakterisierte Willi
Klenze, der gutmütige Amerikaner Bill (Nikolaus Szentmiklosi)
und der angestellte Senkenberg als einziger Fels in der anbrandenden
Amoral sicherten diesem Theaterabend eine nachhaltige Wirkung.
Donau Zeitung/Erich Pawlu |