Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare
Premiere: Freitag, 26. Januar 2005   Fränkisch-Schwäbisches Städtetheater Dinkelsbühl
Fotos: hier
Bühne: Frieder Loew
Kostüme: Ursula Blüml
Dramaturgie: Karen Schultze
Regieassistenz: Ensemble, Luisa Brandsdörfer, Antonio Staude
Darsteller: Katharina • Antje Ulmer
Bianca / Vincentio • Maike Frank
Biondella • Margarit Ziellenbach
Baptista / Witwe / Hutmacher • Knut Fleischmann
Tranio / Hortensio / Schneider / Nathanael • Gosta Liptow
Lucentio / Schulmeister / Curtis • Dirk Weidner
Petruchio / Gremio • David Wilcox
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Sprudelnd und präzise inszeniert

DINKELSBÜHL ‑ Stop. Hat da wer gesagt, dass "Der Widerspenstigen Zähmung" frauenfeindlich wäre, irgendwie schwer patriarchalisch, chauvinistisch, sexistisch und auf alle Fälle ein Fall für die Gleichstellungsbeauf­tragte? Kann man so sehen, so lesen und so spielen. Man kann es aber auch anders machen. Sogar an einem kleinen Theater wie dem Fränkisch­Schwäbischen in Dinkelsbühl. Am Mittwoch hatte "Der Widerspenstigen Zähmung" dort Premiere. Ein gescheites Vergnügen ohne Reue. Shakespeare ‑ oder zumindest das, was er geschrieben hat ‑ ist viel zu klug, als dass eine schlichte, eindeutige Sicht der Stücke möglich wäre. Das ist bei "Der Widerspenstigen Zähmung" nicht anders. Frauenfeindlich? Könnte man meinen. Ja, die renitente, auch handgreifliche, grobe Katharina wird gezähmt, abgerichtet zur Hausfrau und Gattin. Petruchio versucht sie zu brechen, mit Schlafentzug, Hunger, Demütigung. Rundheraus gesagt: Psychofolter, wenn auch mit den besten Absichten Petruchio tut damit freilich in etwa das, was Katharina seit Jahr und Tag mit ihrer Umwelt tut. Fragt sich bloß, warum sie das tut. Warum sie so ist, wie sie ist. Das ist der Knackpunkt einer jeden Inszenierung. Tja, warum?

Nun muss man die sehr schöne und beschwingte Regiearbeit von Luisa Brandsdörfer mit einer solchen Frage nicht unbedingt belasten. Sie wirkt auch vordergründig genossen, denn es ist offensichtlich nicht deren Ehrgeiz, abgründig tiefe Schützengräben für den Geschlechterkampf auszubaggern, sondern zunächst einmal eine Farce aus dem Komödientext zu pulen. Der hat in der Übersetzung von Rainer Iwersen und der Spielfassung von Christian Fries ohnehin Tempo, Ironie und angeschrägten Witz. Sieben Schauspieler in 16 Rollen, weiß geschminkte Gesichter, faschingstaugliche Verkleidungen, ein Verwirr‑ und Kostümierungsspiel, das sich selbst nicht ernst nimmt und ab und an mal ganz aus der Rolle kippt. Stop, ruft dann eine der Figuren und wird zum Schauspieler. Achtung, heißt das, alles nur Theater. Brandsdörfers Kunst ist ‑ und das ist nicht zu unterschätzen ‑, dass ihr bei allem Farcen‑Eifer das Stück nicht verdummt und verplumpt. Sie inszeniert quicke Commedia dell'Arte in Quatsch‑Comedy‑Zeiten, leicht, sprudelnd mit einem guten Gespür für präzises Timing und die richtige Dosis an Übertreibung, also nie zu viel davon.

Was noch? Luisa Brandsdörfer kann das Ensemble führen und animieren. Das spielt durchweg typgerecht, ist rundum komisch aufgelegt, genau auch noch beim Flirt mit Jux, Klamauk und Tollerei: wunderbar schnoddrig Margarit Ziellenbach und Gosta Liptow als Diener‑Komikerpaar. Dirk Weidner überrascht mit differenzierter Chargenkunst als Lucentino, Curtis und vor allem als lippenschürzender, rosa affektierter Schulmeister. Knut Fleischmann hat als Witwe in Weiß seine delikatesten Auftritte, ist aber auch ein rechtschaffener Vater. Und Maike Frank als seine Tochter Bianca kann den Vater Vincentio als drolligen, großäugigen Alten hinbuckeln (ein Ehren‑Yoda für sie).

Bleibt trotzdem die Frage: Warum ist Katharina eigentlich so, wie sie ist?Die feministische Antwort wäre: Weil sie eine starke Frau ist ihren eigenen Kopf hat und sich nicht von Familie und Gesellschaft vorschreiben lässt, was sie zu tun hat, nämlich: demnächst anständig zu heiraten. Die postfeministische Antwort, die sich in Brandsdörfers Inszenierung finden lässt, fällt ein bisschen kompli­zierter aus: Katharina ist eine starke Frau mit eigenem Kopf. Sie schreckt aber nicht davor zurück, ihre Schwester zu unterdrücken, sie zu fesseln, ihre Augen zu verbinden, Brandsdörfer lässt das keineswegs nur witzig ausspielen. Und auch dies ist Katharina, sowie Antje Ulmer sie verkörpert: eine Frau, die sich aus Angst einen Panzer angelegt hat, aus Angst vor Nähe, vor einer Beziehung, aus Angst vor der Liebe. Anfangs blitzt das auf. Wie ein Mann ist sie geworden, um sich Männer vom Leib zu halten. Wie nebenbei fließt das ein, bremst nicht die Farce, aber gibt ihr Gewicht, ohne sie zu be­schweren.

Ob Petruchio das erkennt, ist zu be­zweifeln. David Wilcox stellt einen Macho‑Gentleman im modisch cremefarbenen Anzug hin (die Kostüme von Ursula Blüml glänzen mit ausgesuchtem Farbchic). Das ist einer, den noch nie ein Zweifel angekränkelt hat. Bei Wilcox' Petruchio sind Hemd, Jacke und Hose das hellste. Die bodenlose Ironie, mit der Antje Ulmers Katharina ihren großen Finalmonolog über die dienende Rolle der Frau spricht, überhört er ‑nicht geflissentlich, sondern unabsichtlich, weil das Gegenteil von dem, was Katharina ihren Geschlechtsgenossinnen predigt, nicht in sein Welt­bild passt und damit nicht sein kann. So viel gusseiserne Selbstzufriedenheit wird ihm allerdings irgendwann teuer zu stehen kommen. Man ahnt es am Schluss. Shakespeares" Der Widerspenstigen Zähmung" womöglich ein männerfeindliches Stück? Stop. Keineswegs. Eher verschärft realistisch.        

Fränkische Landeszeitung vom 28.01.2005 Thomas Wirth

Trickkiste der Liebe Theater Dinkelsbühl: Widerspenstige furios gezähmt

Hier entzündet sich die Komödie am Geschlechterkampf zwischen Schützengraben udn Schürzenjagt: voll anzüglichem Wortwitz, relativierenden Parodien, eingespielter Filmmusik, grotesken Comedy-Elementen und sexistischen Seitenhieben. Frauenfeindlich? Politisch inkorrekt? Nicht wirklich. Kaum ein Satz kommt ohne ironisches Augenzwinkern über die Lippen. Nicht einmal die Schauspieler nehmen sich so richtig ernst, stoppen das Stück, fallen immer wieder aus der Rolle, besprechen und erklären sich. Alles nur ein großer Spaß, und wenn Petruchio seine Katharina auch noch so dominant mit Schlafentzug und Psychotricks zum devoten Kätchen zähmt: Dort oben auf der Bühne wird weder ein Loblied auf das Patriarchat abgesungen, noch frauenfeindlichen Sexismus propagiert. Regie führte selbst eine Frau: Luisa Brandsdörfer leitet ihr Ensemble auf gradem Weg über den nur schmalen Grad zwischen altbackener Klassik und plumper Effekthascherei in eine perfekte, frisch-moderne Inszenierung des Stoffes. ...

Nordbayerische Nachrichten 12. Februar 2005

Stefan Hirsch

Im Verschiebebahnhof herrscht atemberaubendes Tempo

...Geschlechterkampf nennen das manche Zeitgenossen. Strich drunter!- Es sei denn, Luisa Brandsdörfer, Gastregisseurin beim Städtetheater inszeniert. Und das macht sie - ihrer Jugend sei Dank - schlichtweg bemerkenswert rotzfrech.
Der Verschiebebahnhof der verschiedenen Freier um die dem Anschein nach so süßliebliche Bianca und en einzigen Anbeter, der die widerspenstie katharina, ihrer Mitgift wegen, haben will, stellt sie mit atemberaubenden Tempo und vorwitzigem Temperament auf die Bretter des Schrannen-Festsaales....

Schwäbische Post, Ellwangen, 209.01.2005

Thomas Hampus